Während des Zweiten Weltkrieges sprach sich der damalige Vorstandsvorsitzende der Lenzinger Zellwolle & Papierfabrik AG dafür aus, dass Häftlinge aus den Konzentrationslagern direkt für die Industriebetriebe eingesetzt werden. Daher wurde am 30. Oktober 1944 ein Außenlager des KZ-Mauthausen für Frauen in den intakten Gebäuden der Papierfabrik eingerichtet. Etwa 570 Frauen, fast ausschließlich junge Jüdinnen, die erst wenige Wochen bis Monate vorher nach Ausschwitz deportiert worden waren, wurden in Folge in das Lenzinger Lager gebracht, das bis 5. Mai 1945 bestand.
Die Mehrzahl der weiblichen Häftlinge war in der Produktion beschäftigt, 36 Frauen arbeiteten in drei Schichten zu je zwölf Frauen in der Viskose-Abteilung, wo die Arbeits- und Umweltbedingungen am schlechtesten waren. Den KZ-Häftlingen wurden z.B. die Sicherheitsmaßnahmen wie Gesichts- und Mundschutz verweigert, des Weiteren bekamen sie keine Milch zur Entgiftung nach dem Einatmen der gefährlichen Dämpfe. Die offiziellen Essensrationen für die Gefangenen – etwa 1000 Kalorien pro Tag – reichten für die schwere Arbeit nicht annähernd aus.
Die Unterbringung der weiblichen Häftlinge erfolgte in der aufgelassenen Papierfabrik Pettighofen. Das Lagergebäude – die alte Papierfabrik – war an der Frontseite mit einer Mauer und an den drei übrigen Seiten mit Stacheldraht umzäunt. In der Maschinenhalle waren etwa 300 Frauen untergebracht, die restlichen ca. 200 Frauen in Nebenräumen. Es gab des Weiteren ein Krankenrevier, die Aborte waren in einem Holzschuppen.
Für die Bewachung waren SS-Männer wie auch SS-Aufseherinnen zuständig. Die Aufseherinnen waren teils ehemalige Angestellte der Zellwolle, teils Zivilangestellte, die der Gefolgschaft der SS angehörten. Die „Lagerältesten“ der Häftlinge hatten eine gewisse Sonderstellung. Sie vermittelten zwischen der SS und den Häftlingen, um für sich, aber auch für die anderen inhaftierten Frauen Verbesserungen zu erzielen (z.B. kein Arbeiten in der Fabrik, dafür Schreibarbeiten oder andere Funktionen im Lager).
Obwohl die Überlebenschancen im Außenlager Lenzing-Pettighofen vergleichsweise hoch waren, so mussten die Frauen trotzdem viel Leid über sich ergehen lassen. Einerseits die schwere und gesundheitsschädigende Arbeit, andererseits Hunger und Kälte und die Erniedrigungen durch das Wachpersonal.
Für das KZ Lenzing Pettighofen sind im Totenbuch von Mauthausen neun Todesfälle verzeichnet: fünf Frauen kamen bei einem Eisenbahnunfall ums Leben, der, wenn nicht mit Absicht, dann auf grobe Fahrlässigkeit des Wachpersonals zurückzuführen ist. Bei den anderen vier Frauen wurde als Todesursache in den Aufzeichnungen „Kreislaufschwäche“ festgehalten, was in Lageraufzeichnungen üblicherweise auf eine Ermordung schließen lässt. Ehemalige Häftlinge des Lagers konnten jedoch über keine beabsichtigten Tötungen berichten.
Am 5. Mai 1945 wurde das Lager von den amerikanischen Truppen befreit.
Quelle: R. Sandgruber, Lenzing. Anatomie einer Industriegründung im Dritten Reich (Linz, 2010)
Foto: Befreite Frauen im Mai 1945, Quelle: US Holocaust Memorial Museum Washington D.C.